
Selbstständigen zu gesetzlicher Rente verhelfen
12.05.2021
Wer sich in Deutschland selbstständig macht, ist zunächst automatisch versicherungsfrei.¹ In Bezug auf die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) wie auch in Bezug auf die Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (GKV) muss der Selbstständige dann Entscheidungen mit zum Teil sehr weitreichenden Konsequenzen treffen.
Gesetzliche Rentenversicherung:
- Antrag auf Pflichtmitgliedschaft
(nur innerhalb von 5 Jahren nach Existenzgründung möglich) - Antrag auf Freiwillige Mitgliedschaft
(jeder volle Eurobetrag zwischen Mindest- und Höchstbeitrag ist wählbar) - Keine Mitgliedschaft
Gesetzliche Kranken-/Pflegeversicherung:
- Abschluss einer privaten Krankenversicherung
- Antrag auf Freiwillige Mitgliedschaft in der GKV
(In der freiwilligen GKV-Mitgliedschaft gibt es einen Mindestbeitrag; dieser ist zu entrichten aus 1/3 der sog. Bezugsgröße. Der Mindestbeitrag für Existenzgründer liegt damit in 2021 bei rund 200 Euro mtl. ((3.290 :3) mal 18,35%)
Bei der Vorsorgeberatung von Selbstständigen müssen Sie als Vermittler mindestens zwei unterschiedliche Fallkonstellationen unterscheiden:
A. Sie beraten zur Existenzgründung und geben begründete Empfehlungen in Bezug auf die genannten Wahlmöglichkeiten in den Bereichen Rente und Krankenversicherung. Dazu äußere ich mich in einem gesonderten Beitrag.
B. Sie beraten den Kunden, nachdem dieser vor einiger Zeit eigenständig oder mit Wettbewerberhilfe seine Grundentscheidungen bereits getroffen hat.
Im folgenden beschäftige ich mich mit Fall B: Der Kunde zahlt keine Beiträge in die GRV und hat sich für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden. Es versteht sich von selbst, dass ein guter Verkäufer vor irgendwelchen Bewertungen oder gar Kommentaren nach den Gründen/Motiven für die Kundenentscheidung fragt.
Folgende Fragen sind aus fachlichen Gründen PFLICHTFRAGEN:
Herr Kunde, wann genau haben Sie sich selbstständig gemacht?
Welchen Beruf haben Sie vorher ausgeübt ?
Wie viele Jahre waren Sie insgesamt als Arbeitnehmer tätig?
Mit der ersten Frage klären Sie ab, ob eine GRV-Pflichtmitgliedschaft überhaupt noch möglich wäre. Es könnte durchaus sein, dass Sie einem Kunden aus gesundheitlichen Gründen dazu raten müssten, weil ein privater Existenzschutz gar nicht oder nur unter deutlich erschwerten Bedingungen möglich wäre.
Mit den weiteren Fragen klären Sie ab, ob der Kunde die sog. allgemeine Wartezeit in der GRV bereits erfüllt hat. Sie könnten „zur Kontrolle“ fragen, ob/wann der Kunde seine letzte gesetzliche Renteninformation erhalten hat. Er hat nämlich keine erhalten, wenn er zwar älter als 27 Jahre ist, aber eben die 5-jährige allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt hat.
Gehen wir ins Detail. Unser Beispielkunde Hans Klug sei 35 Jahre alt, er hat sich unmittelbar nach seiner dreijährigen Berufsausbildung selbstständig gemacht und ist dabei und seither sehr erfolgreich. Nach aktuellem Stand wird er einmal aus privaten wie aus Basisrentenverträgen über 2.000 Euro mtl. Rente erhalten; dazu kommen voraussichtliche 600-800 Euro mtl. Mieteinnahmen aus einer Immobilie, die er sich mit finanzieller Unterstützung seines Vaters bereits zugelegt hat. Seine Ruhestandsplanung soll damit nach seiner Aussage aber noch nicht abgeschlossen sein…
Machen Sie für Ihren Kunden Hans Klug nun folgende Vergleichs-Rechnung auf:
Wenn Hans Klug in Punkto GRV nichts unternimmt, wird er auf seine späteren Renteneinnahmen + auf die Mieteinnahmen + auf die Erträge aus evtl. zusätzlich aufzubauendem Vermögen KV-und Pflegebeiträge bis zur BBG KV zahlen müssen. Er kommt nämlich wegen fehlender gesetzlicher Rente nicht in den günstigen KVdR-Status.
Konkret: 2.000 Euro Renteneinnahmen + 800 Euro Mieteinnahmen, multipliziert mit dem ermäßigten Beitragssatz GKV (14,0%) + Zusatzbeitrag (1,3%) + Pflegebeitrag (3,05%) = mtl. 513,80 Euro.
Empfehlen Sie Herrn Klug, die fehlenden Monate zur Wartezeiterfüllung mit freiwilligen Mindestbeiträgen (aktuell: mtl. 83,70 Euro) aufzufüllen. Bei angenommen noch fehlenden 24 Monaten entspricht dies einer Gesamteinzahlung von 2.008,80 Euro. Damit erreicht Herr Klug einen entscheidenden Vorteil: Durch die Wartezeiterfüllung erhält Herr Klug einen Anspruch auf gesetzliche Altersrente, und sei dieser auch noch so niedrig. Mit Bezug einer gesetzlichen Rente gelangt Herr Klug in den günstigen Status als sog. KVdR-Rentner², das heißt: Er ist ab Rentenbeginn (Regelaltersgrenze EA 67) nun GKV-Pflichtmitglied und zahlt seine Beiträge ausschließlich auf die gesetzliche Minirente!
Konkret: Gehen wir davon aus, der Kunde erreicht durch 3 Jahre Berufsausbildung und 2 Jahre freiwillige Zahlung des Mindestbeitrages insgesamt 3 Entgeltpunkte. Seine Regelaltersrente beträgt dann mtl. 102,57 Euro. Sein KV-und Pflegebeitrag hierauf wären 18,95%³, wovon exakt die Hälfte des KV-Anteils die Deutsche Rentenversicherung übernimmt. (Den Pflegebeitrag trägt der Rentner im Gegensatz zum Arbeitnehmer alleine). Herr Kluge würde im Alter mit GKV-Beiträgen von mtl. 11.28 Euro „belastet“. Auf seine privaten Renten, Basisrenten, Miet- und späteren Zinseinnahmen sind keine KV-Beiträge zu entrichten.
Merke: Für GKV-Pflichtmitglieder gibt es keinen Mindestbeitrag wie bei der freiwilligen Mitgliedschaft!
Der Kunde Hans Klug muss sich nach Ihrer Aufklärung nun entscheiden:
Entweder lebenslang als Rentner GKV-Beiträge von klar über 500 Euro mtl. – Oder freiwillige GRV-Zahlung von 2008,80 Euro und dann lebenslang knapp mehr als 11 Euro mtl. bei inhaltlich demselben Versicherungsschutz.
Bei angenommen 20 Jahren Rentenbezugsdauer stünde einem Aufwand von GRV-Zahlung + Minibeitrag zur GKV von insgesamt rund 4.600 Euro eine freiwillige GKV-Verpflichtung von über 120.000 Euro gegenüber.
Da gibt es nicht viel zu überlegen und der Kunde wird Ihnen für diese Aufklärungsarbeit dankbar sein.
¹Ausgenommen davon sind:
– Handwerksmeister, deren Gewerk dem Meisterzwang unterliegt und in Anlage A der Handwerksordnung aufgelistet ist,
– Versicherungspflichtig Selbstständige kraft Gesetzes (aufgelistet in § 2, SGB VI)
² Die zweite Voraussetzung (9/10-tel Belegung GKV-Mitgliedschaft) erreicht der Kunde automatisch, da er sich für die GKV-Zahlung entschieden hat
³ Allgemeiner Beitragssatz 14,6% + Zusatzbeitrag 1,3% + Pflegebeitrag 3,05%